Am Sonntag, den 06.06.2021 ist Gisela Zorn-Lingnau im Alter von 91 Jahren gestorben. Ihre letzten Jahre hat sie in Berlin in der Nähe ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes verbracht.
Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Köln verliert mit Frau Zorn-Lingnau eine prägende Persönlichkeit und gute Freundin, die bis zuletzt, so gut es ihr möglich war, an den Geschicken des Vereins Anteil nahm.
Eines ihrer letzten Geschenke an den Verein war die von ihr verfasste Vereinsgeschichte von der Gründung des „Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder“ im Jahr 1900 bis zum Jahr 1959 – dem Jahr, in dem sie die Geschäftsführung des Vereins in Köln übernahm.
Auf die Frage, warum sie denn nicht noch einen zweiten Teil über ihre Zeit als Geschäftsführerin schreiben wolle, sagte sie „meine Arbeit müssen andere bewerten, das traue ich mir nicht zu“.
Gisela Zorn-Lingnau war eine Kämpferin für den später in Sozialdienst katholischer Frauen umbenannten Verein und für die Kinder, Jugendlichen und Frauen, die hier Hilfe suchten.
Sie war durchsetzungsstark, konnte spröde, ja fast streng wirken und kurz danach strahlend lachen.
Schon während ihres Studiums der Rechtswissenschaften von 1950 bis 1958 waren das Wohlfahrtsrecht, das Sozialrecht und die Sozialwissenschaften ihr Steckenpferd. Zur angestrebten Tätigkeit an der „Höheren Fachschule für Wohlfahrtspflege“ kam es nicht, weil sie zwischenzeitlich am 01.11.1959 zur ersten hauptamtlichen Geschäftsführerin des Kölner Katholischen Fürsorgevereins ausgewählt wurde.
Sie übernahm einen Ortsverein, der zum Teil noch in den Provisorien des kriegszerstörten Köln hauste und sich der Menschen annahm, die vom Krieg versehrt und/oder vom aufkommenden Wirtschaftswunder zurückgelassen worden waren.
Bei allem Streben nach Alltag und Normalität war Gisela Zorn-Lingnau von der Zeit von 1933 bis 1945 und den Nachkriegsjahren geprägt und sie war und blieb bis zuletzt aus ihren eigenen Erlebnissen eine Streiterin für ein demokratisch verfasstes, humanitäres, tolerantes Gemeinwesen.
Ab Mitte der 60er Jahre engagierte sie sich in verschiedenen Gremien und Ausschüssen auf Bundesebene und führte so den SkF als Gesamtverband mit in die Moderne.
Ihren Traum der Lehrtätigkeit erfüllte sie sich in der Zeit von 1965 bis zur Geburt ihrer Tochter Olivia als nebenberufliche Dozentin an der „Höheren Fachschule für Sozialpädagogik“ am Sachsenring in Köln.
Mit ihrem Mann, Jean Zorn, den sie 1967 heiratete und der Geburt ihrer Tochter Olivia im Januar 1971 kamen die wichtigsten Menschen in ihr Leben, trotzdem gönnte sie sich nach der Geburt von Olivia keine Auszeit, sondern machte im Herbst 1971 aus der halben Stellen wieder eine Vollzeitstelle.
In der Zeit von 1965 bis 1975 arbeitete Gisela Zorn-Lingnau in einer Unterarbeitsgruppe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge an Themen wie Nichtehelichenrecht oder Recht der elterlichen Sorge.
Die Liste der Gremien, in denen sie seit der Mitte der 70er Jahre mitarbeitete und die sie z.T. auch noch nach ihrem Ausscheiden aus der hauptamtlichen Tätigkeit im Jahr 1995 aktiv war, füllen mehrere Seiten und spiegeln den gesellschaftlichen Wandel, den Wandel des Familien- und Sozialrechtes, das Streben nach Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Professionalisierung der Wohlfahrtspflege in den katholischen Verbänden und insbesondere des SkF e.V. Köln.
Am 21.01.1995 wurde Gisela Zorn-Lingnau in den Vorstand des SkF e.V. Köln gewählt und blieb so eine Konstante für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins ohne zu einer Konkurrenz für ihre Nachfolgerin zu werden.
So klar wie ihr Charakter war auch die Wahrnehmung der unterschiedlichen Rollen: „Ich arbeite gern im SkF und für den SkF und meine, ich könnte es noch ein paar Jahre tun“, so unterzeichnete Gisela Zorn-Lingnau ihre Selbstdarstellung als Kandidatin im Vorfeld der Vorstandswahl 1999.
Es sollten dann noch weitere 12 Jahre werden, bevor sie 2011 aus dem Vorstand ausschied und sich ihrem Archiv widmete, aus dessen Material sie die Vereinsgeschichte der ersten 60 Jahre rekonstruierte.
Gisela Zorn-Lingnau war Preußin und Kölnerin, Mutter, Ehefrau und Managerin eines Unternehmens, Politikerin und Lobbyistin, Demokratin durch und durch, Reisende und Kulturbegeisterte, oft an der Kirche und an männlichem Dominanzgebaren Verzweifelnde, sie war loyal, charakterstark, widerborstig und zugewandt, konservativ und gleichzeitig innovativ und in ihrem Denken und Handeln zu vielen Zeiten fast schon revolutionär.
Der SkF e.V. Köln hat ihr viel zu verdanken und wir sind stolz auf Gisela Zorn-Lingnau, für die die Vereinsgründerin, Marie Le Hanne Reichensperger, immer Vorbild und Richtschnur war.
Monika Kleine, Vorstand, im Namen der Mitglieder, der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SkF e.V. Köln