Instanbul kündigt die Instanbul-Konvention auf

23.03.21, 16:29
Anne Rossenbach

Istanbul verlässt die Istanbul-Konvention – ein bitteres Signal für die Frauen

Fast überall auf der Welt wird Gewalt gegen Frauen und Kinder inzwischen thematisiert. Das bedeutet nicht, dass die Situation von Frauen und Kindern sich überall verbessert, sie besser geschützt werden oder sich sogar die Überzeugung durchsetzt, dass Gewaltprävention für eine Gesellschaft immer produktiver ist als der Gewalt zuzusehen und sie zu dulden.

Mit dem am 20.03.2021 durch Präsident Erdoğan verkündeten Austritt aus der Instanbul-Konvention setzt er ein bitteres Signal gegen die Mädchen- und Frauenrechte in der Türkei. Die Konvention des Europarates, die 2011 in Instanbul verabschiedet wurde, soll Gewalt gegen Mädchen und Frauen und häusliche Gewalt durch verbindliche Rechtsnormen unterbinden. 

45 Länder und die Europäische Union haben die Konvention unterzeichnet und verpflichten sich mit diesem völkerrechtlichen Vertrag die Gleichstellung der Geschlechter in ihrer Gesetzgebung zu verankern und diskriminierende Vorschriften abzuschaffen. 

Sie haben sich mit der Unterzeichnung darauf verständigt, die Beratungs- und Hilfelandschaft bedarfsgerecht und flächendeckend auszubauen und Mädchen und Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, Ausbildung und zum Arbeitsmarkt zu sichern. 

Zudem verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, offensiv gegen geschlechtsspezifische Gewalttaten wie psychische, körperliche und sexuelle Gewalt von der sexuellen Belästigung bis zur Vergewaltigung, Nachstellung, Zwangsheirat, Verstümmelung weiblicher Genitalien, Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung vorzugehen und solche Taten strafrechtlich zu sanktionieren.

Auch wenn noch umstritten ist, ob Präsident Erdoğan internationale Abkommen einfach aufkündigen kann, so ist der Austritt aus dem Instanbul-Abkommen doch mehr als ein auf die Innenpolitik gerichtetes Vorgehen, das sich in eine ganze Reihe von Angriffen auf Oppositionelle und Menschenrechtsaktivist:innen in den letzten Tagen und Wochen einreiht. 

Es ist ein Signal an die Frauen in der Türkei, dass sie Bürger:innen zweiter Klasse sind. Ihr Lebensmittelpunkt, so hat es Erdoğan am Weltfrauentag gesagt, seien Heim und Familie. Das aber sind die Orte, die für Frauen, nicht nur in der Türkei, am gefährlichsten sind. 

„Mit seiner Aufkündigung des Instanbul-Abkommens setzt Präsident Erdoğan nicht nur ein Zeichen gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter, sondern er verweigert Mädchen und Frauen den Schutz vor Gewalt und Missbrauch. Mädchen und Frauen verweist er ins Haus und in die Familie.

Das ist aber nicht nur Innenpolitik, sondern ein Vorgehen gegen Europa und ein Zeichen an die Parteigänger:innen von Erdoğan und seiner AKP, die in Europa, in Deutschland und in Köln leben“, so Monika Kleine, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V. in Köln.